Hier gibt es Informationen über die Geschichte der Bibliothek, über ihre Bibliothekare, wie die wertvollen Bücher zum Christianeum kamen und warum ein großer Teil des historischen Bestandes nicht mehr in der Schule steht.

Zur Geschichte

von Hans Rothkegel (1988)

Die Anfänge der Lehrerbibliothek des 1738 gegründeten Christianeums reichen bis in das Jahr 1713 zurück. Der Gelehrte Theologe und Theosoph Johann Otto Glüsing (1675/76-1727), ein Verehrer Jakob Böhmes, vermachte vor seinem Tode im Jahre 1727 seine wertvolle Büchersammlung der damaligen lateinischen Schule in Altona, aus der sie im Jahre 1738 in das Eigentum des neubegründeten Akademischen Gymnasiums überging. Glüsing hatte diese Bibliothek seit 1713 aufgebaut, nachdem er bei der Einäscherung Altonas durch die Schweden seine erste Bücherei verloren hatte. Sie enthielt vor allem Ausgaben der Bibel und Kirchenväter, Werke zur Erklärung der Bibel und theologische Schriften.

Ein Datum für die Eröffnung der Bibliothek kann nicht genannt werden. Ende 1743 wurde sie bereits angemessen im Südflügel des ersten Gebäudes in der Hoheschulstraße in Altona untergebracht, nachdem sie jahrelang in Kisten verpackt oder nur unzureichend in beengten Räumen aufgestellt war.

 

Das älteste Bücherzeichen, ein Kupferstich von Helena Barbara Öding aus dem Jahre 1745, zeigt eine typische Barockbibliothek mit dem Vers „Erudit ignaros, barbariemque fugat“ (Er belehrt die Unwissenden und verbannt die Barbaren).

 

 

 

 

Maternus de Cilano

 

Der erste Bibliothekar der Schule wurde 1743 Dr. med. Georg Christian Maternus de Cilano (1696-1773), der als Professor der Medizin und Physik, später auch der griechischen und römischen Altertümer, an der Anstalt tätig war.

 

 

 

Der Bücherbestand wuchs rasch. Die Bibliothek erhielt zum einen Zahlungen aus öffentlichen Mitteln, da sie auch öffentliche Bibliothek für die Stadt Altona war. Daneben regte schon die Gründungsurkunde von 1744 an, Disziplinarverstöße durch Geldstrafen zugunsten der Bibliothek zu ahnden oder den Schulabgängern ein Abschiedsgeschenk an die Bibliothek abzufordern. Teilweise enthalten die Bücher Widmungen, die an diese Sitte erinnern.

Die Bibliothek wurde aber vor allem durch Schenkungen vermehrt. Das Jahr 1757 brachte ihr durch Vermittlung des Präsidenten der Stadt Altona, Bernhard Leopold Volkmar von Schomburg, einen erheblichen Zuwachs durch das Vermächtnis der Büchersammlung und eines hohen Geldbetrages des in Glückstadt verstorbenen Conferenzraths Georg Schröder (1678-1757). Die Schrödersche Bibliothek war reich an wertvollen Werken aus den Gebieten der Jurisprudenz und Geschichte sowie an Reisebeschreibungen und literarischen Zeitschriften.
Durch das Legat erlangte die Bibliothek außerdem eine feste jährliche Einnahme. Man glaubte im Christianeum, mit dieser Bibliothek und dem Schröderschen Kapital die Grundlage für eine Universitätsbibliothek gewonnen zu haben. Ein Ausbau zu einer Universität war nämlich das Ziel, das sowohl die Professoren des Christianeums als auch die dänische Regierung anstrebten. Als jedoch 1767 der bisherige Gottorfsche Anteil von Holstein an Dänemark abgetreten wurde und Dänemark die Universität Kiel erhielt, fanden diese Hoffnungen ein jähes Ende.

1768 erfuhr die Bibliothek eine weitere Bereicherung durch Johann Peter Kohl (1698-1778), ehemals Professor für Kirchengeschichte in St. Petersburg, dann längere Zeit in Hamburg und später in Altona im Ruhestand, der eine ausgezeichnete Sammlung alter Handschriften und Drucke, das sogenannte Donum Kohlianum, schenkte.

Unter den Manuskripten steht eine guterhaltene Pergamenthandschrift von Dantes „Divina Commedia“ mit Abbildungen und Initialen an erster Stelle.

 

 

 

Giovanni Boccaccio: Il Filostrato

Von den übrigen Handschriften seien erwähnt das reichverzierte Epos „Filostrato“ Giovanni Boccaccios, ein Kalendarium nebst Gebetbuch in niederdeutscher Sprache vom Ende des 15. Jahrhunderts, Melanchthons Entwurf der „Loci Communes“ aus dem Jahre 1519 sowie eine „Hispanische Reise-Beschreibung“ des Jahres 1671, deren Verfasser Friedrich Martens „Campagne-Meister bei der Admiralität in Hamburg und ein Hamburger von Geburt gewesen“ war. Unter den gedruckten Werken des Donum Kohlianum befinden sich auch 15 Inkunabeln, darunter ein Valerius Maximus (Mainz: Peter Schöffer 1471). [Weitere historische Werke stehen digital zur Verfügung, Informationen finden Sie hier]

Durch Schenkungen Glüsings, Schröders und Kohls war das Christianeum in den Besitz einer wertvollen Bibliothek gelangt. Da diese Sammlungen jedoch nach den Neigungen der ursprünglichen Besitzer zusammengestellt worden waren, konnte die aus ihnen gebildete Bibliothek in vieler Hinsicht nicht den Erfordernissen des Unterrichts entsprechen. Es fehlte manches, was dringend benötigt wurde. Der Grundstock war theologischer, juristischer und historischer Natur. die klassische Philologie war zunächst nur gering vertreten, wurde jedoch bei den Ankäufen besonders berücksichtigt. Ein Geldgeschenk der Regierung bot die Möglichkeit, die Lücken aufzufüllen, als Maternus de Cilano einen Teil seiner großen Büchersammlung verkaufte und der andere Teil nach seinem Tode im Jahre 1773 zur Versteigerung kam. Auch später war man bemüht, durch Kauf und Erwerbungen auf Auktionen die Bestände zu vermehren.

Die Zahl der Inkunabeln wurde 1808 durch den Erwerb der Wiegendrucksammlung des verstorbenen ersten Compastors an der Hauptkirche, Dr. Johann Adrian Bolten (1742-1807), um 41 Stücke vergrößert. Der Gunst der dänischen Könige verdankt das Christianeum ein besonders wertvolles Geschenk. 1816 erhielt es durch Fürsprache des berühmten Geodäten Heinrich Christian Schumacher (1780-1850) vom dänischen König Frederik VI. die nur in wenigen Exemplaren in Schleswig-Holsteins Bibliotheken vorhandene Flora Danica. Sie umfasst 15 Bände mit 45 Faszikeln und einem Supplement.
Im Jahre 1837 wurde der Bibliothek die ursprünglich dem Conferenzrath Johann Georg von Rönne (gest. 1838) gehörende, aus etwa 7000 bis 8000 Bänden bestehende Büchersammlung durch J. M. F. Köhler übereignet. Diese als Donum Koehlerianum bezeichnete Sammlung enthielt vor allem juristische, historische und geographische Werke. Aus der königlichen Bibliothek in Kopenhagen erwarb das Christianeum mit Erlaubnis des dänischen Königs im Jahre 1842 etwa 500 Bände der Fächer Philosophie, Politik und Literatur.

Im Jahre 1856 erfuhr die Bibliothek eine wesentliche Vermehrung durch das Vermächtnis des 1855 verstorbenen gelehrten Dr. Hans Schröder. Es umfasste etwa 1000 Bücher, darunter das Theatrum Europaeum. Das letzte größere Vermächtnis war das der Frau Hedwig von Nyegaard, geb. Müller (1812-1898), im Jahre 1898 mit ungefähr 2000 gebundenen und vielen ungebundenen Büchern. Durch die Schenkungen erhielt die Bibliothek bis 1817 ungefähr 6000 Bände; angekauft wurden in der Zeit von 1743 bis 1817 etwa 5000 Bücher, während sich der Gesamtbestand 1755 auf 2286 Bände belief, betrug er 1771 schon 6417, 1817 10.780, 1891 26.481 und 1938 etwa 30.000 Bände.

Die Bibliothek wurde zunächst im Südflügel des Gymnasiums untergebracht, wo sie bis 1849 verblieb. Darauf fand sie in einem Haus hinter dem Hauptgebäude Aufstellung. Im Jahre 1880 wurde sie in den neuen Nordflügel umquartiert. 1936 erfolgte endlich die Übersiedlung mit der Schule in das Gebäude in der Behringstraße. In der im Jahre 1938 vorhandenen Büchersammlung waren besonders die Klassische Philologie, deutsche Geschichte, dänische Geschichte, Schleswig-Holsteinische Geschichte, Philosophie, ältere deutsche Literatur, außerdem Schulschriften und Schulprogramme vertreten, während neuere Literatur, Mathematik, Naturwissenschaften und musische Fächer nur ungenügend Berücksichtigung gefunden hatten.

Während des Zweiten Weltkrieges war ein großer Teil der Bibliothek in einem Bunker sichergestellt, so dass keine größeren Verluste entstanden. Auch die nicht ausgelagerten Bücher blieben erhalten. Nach dem Krieg büßte die Bibliothek in den Jahren 1945 bis 1947 ungefähr die Hälfte ihres Bestandes ein. Er wurde an die Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg abgegeben, die durch Bombentreffer große Verluste erlitten hatte, so dass nur noch etwa 16.000 Bände in der Schule zurückblieben. Die Auswahl der abzugebenden Bücher erfolgte vor allem unter Berücksichtigung ihrer schulischen Verwendbarkeit.

Heute dienen die vorhandenen Altbestände im Wesentlichen wissenschaftlichen, aber auch schulischen Zwecken.

Hinweis:
Einen ausführlichen Artikel von Hans Rothkegel zur Geschichte der Bibliothek finden Sie hier.

60 Jahre verschwunden

von Felcitas Noeske (2012)

Die Übernahme einer großen Anzahl von Bänden nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Hamburger Staatsbibliothek geschah ohne Liste und wurde, einem im Archiv des Christianeums verwahrten handschriftlichen Bericht zufolge, 1946/47 durch regelmäßige Abholungen bewerkstelligt. Die Bitten seitens des Direktors Dr. Gustav Lange (1898-1964, Direktor ab 1946), wenigstens die eigens dem Christianeum vermachten Buchsammlungen zurückzubekommen, wurden 1949 seitens der Direktion der Staatsbibliothek abgelehnt. Gemeint war offenbar in erster Linie das „Donum Kohlianum“, eine wertvolle Schenkung im 18. Jahrhundert, der die Aufforderung beigegeben gewesen war, sie am Christianeum gesondert aufzubewahren; die Signaturen zeigen, dass die Anstalt dieser Bitte entsprochen hatte. Der Bitte Dr. Langes wurde nicht entsprochen. 1955 erging unter dem Betreff „Bereinigung der Bibliotheken“ die Anweisung der Schulbehörde ans Christianeum, sich – so die Formulierung in der archivierten Korrespondenz – „von dem Ballast“ seiner Bestände zu „befreien“. Eine mit Nachdruck eingeforderte Abgabeliste ist in Kopie erhalten; die gegenseitigen Ressentiments der Bibliotheken waren für gut ein halbes Jahrhundert besiegelt.
Die Bände blieben verschwunden, im Katalog der Hamburger Staats- und Universitätsbibliothek Carl von Ossietzky (SUB) fanden sich keine Hinweise. Im Zuge der Digitalisierung des Zettelkatalogs konnten im Jahr 2005 in Zusammenarbeit des Christianeums mit der SUB die Sammlung der Inkunabeln aus dem Christianeum und das Donum Kohlianum rekonstruiert werden; im Campus-Katalog der SUB sind die dort lagernden Bestände der Sammlung Kohl unter dem Schlagwort „provenienz kohl“ abrufbar, angezeigt werden 832 Titel; das Christianeum hält noch ca. 70 Bände dieser exquisiten Privatbibliothek des 18. Jahrhunderts.
Infolge wurden auch die übrigen aus dem Christianeum stammenden Bestände bis 1800 von der Staatsbibliothek in ihrem Katalog mit Provenienzhinweis versehen. Die aus dem Christianeum stammenden Bestände des 19. Jahrhunderts werden unterdessen zunehmend ebenfalls erfasst, darunter wertvolle Gesamtausgaben und Exemplare mit handschriftlichen Widmungen ans Christianeum. Angezeigt werden im Campus-Katalog bei der Schlagwortsuche „provenienz christianeum“ bislang 6882 Titel, darunter zwölf Wiegendrucke aus dem 15. Jahrhundert.

Die genaue Zahl der 1946/47 abgegebenen Bücher ist bislang unbekannt; die Beschreibung der Christianeumsbestände in der SUB liegt noch nicht vor. Eine Schätzung nach der Digitalisierung des seit 1972 erstellten Zettelkatalogs der Christianeumsbibliothek, der die mehrbändigen Ausgaben uneinheitlich erfasst hatte, ergab 2008 ca. 20.000 – 22.000 Bände historischen Altbestands im Christianeum; die in den älteren Darstellungen verschiedentlich genannte Zahl von 10.000 abgegebenen Bänden, eines Drittels des 1938 mit „ca. 30.000“ verbuchten Bestandes, scheint realistisch. Der Vermerk in einem Eingangsbuch der 1950er Jahre weist darauf hin, dass etwa 900 Bände zurückgegeben worden seien; welche, ist indes nicht feststellbar. Hin und wieder kam eine Dublette zurück, die die Christianeumsbibliothek auch bereits doppelt hat.

Kostbarkeiten der Bibliothek

In dem Band „Kostbarkeiten der Bibliothek“ aus dem Jahr 1988, sind einige der wertvollsten Bände der historischen Gymnasialbibliothek detailliert beschrieben, hier können Sie sich das Buch ansehen.

Bibliothek, Tresorraum

 

Wenn Sie sich einige der Kostbarkeiten der Bibliothek ansehen möchten, klicken Sie hier

 

Die Bibliothekare des Christianeums

Die Bibliothekare des Christianeums waren seit der Gründung des Gymnasium Academicum bis 2014 stets Mitglieder des Kollegiums. Das Amt wurde bis zum Ende des 19. Jahrhunderts kontinuierlich von den Direktoren und den Rektoren versehen und wurde seinerzeit zusätzlich vergütet. Der Bibliothekar war und ist auch Archivar der Schule. Nach späteren Jahrzehnten ehrenamtlicher Tätigkeit durch Lehrerinnen und Lehrer wurde die Verwaltung von Bibliothek und Archiv im Rahmen der umfangreichen Restauration, Renovierung und Neueröffnung 2016 neu geordnet. Die Bibliotheca Christianei wird heute von einer hauptamtlichen Bibliothekarin geführt.

In der Übersicht sind die Bibliothekare des Christianeums durch die Jahrhunderte erfasst: Bibliothekare des Christianeums

Die alten Stempel der Bibliothek

von Felicitas Noeske (2013)

Die ersten Bibliothekare des Christianeums listeten die Bestände im 18. Jahrhundert in gebundenen Verzeichnissen in ihrer Aufstellung nach der Größe der Exemplare auf: die Folianten kamen nach unten, die Quarts in die Mitte und die kleinen Oktavs nach oben ins Regal. Die ersten handschriftlichen Kataloge sortierten die Bücher entsprechend und nummerierten sie durch; eine besondere Kennzeichnung der Bücher fand nicht statt, denn beim Auffinden half der Bibliothekar. Das funktionierte, solange die Bestände noch gering und deshalb überschaubar waren.
Mit der seit 1850 eingeführten systematischen Aufstellung der unterdessen in vierstelliger Anzahl vorhandenen Bücher, das heißt, einer Sortierung in den Regalen nach Sachgebieten, wurde als offizielles Eigentumszeichen der Stempel eingeführt. In den historischen Buchbeständen des Christianeums finden sich drei verschiedene: der eine Stempel war kreisrund mit einem Bildmotiv, einer Art Blumenkorb, in der Mitte; die beiden anderen, ein Oval und ein Kreis ohne bzw. dezentem Schmuck, betonten die Zugehörigkeit der Anstalt zum königlich-dänischen Altona. Eine genaue Datierung der Stempel und ihres Gebrauchs existiert bislang nicht; sie erforderte den Abgleich der Dienstzeiten der Bibliothekare mit deren Handschriften in den Bandkatalogen und den jeweiligen Signaturen in den Innendeckeln.

 

Alter Stempel der Bibliothek: „Ex Bibliotheca Gymnasii Altonani“, mit dem Blumenkorb in der Mitte, hier im Valerius Maximus, gedruckt von Peter Schöffer 1471.

 

 

 

 

Der ovale Bibliotheksstempel des königlichen Christianeums ohne Schmuck: „Bibliotheca Christianei Regii Altonensis“, hier in einer lateinischen Ausgabe des Reineke Fuchs von 1574.

 

 

 

 

 

 

Der kreisrunde Stempel des königlichen Gymnasiums in A. Piper, Altonas Brand am 8. Januar 1713, erschienen in Altona 1913

 

 

 

 

 

 

 

Der heutige Stempel der Bibliothek des Christianeums

Der heutige Bibliotheksstempel besteht in einem schmucklosen Kreis, darin innen am Rand: Bibliotheca und Altonensis, dazu mittig quer: Christianei. Der Stempel findet sich nicht nur in den Werken des 20. Jahrhunderts und in Neuerscheinungen, sondern gelegentlich auch in den historischen Beständen, die nachsigniert wurden, weil sie zuvor noch nicht im Katalog erfasst gewesen waren, oder als Ergänzung im noch ungestempelten Innendeckel älterer Erschließungen.